Führen in der Krise: Mit moderierender Führung Kultur und Zusammenarbeit stärken

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16. April 2025

In Krisenzeiten brauchen Teams Orientierung und schnelle Entscheidungen. Auf der anderen Seite droht genau dieser Führungsstil, die Unternehmenskultur zu beschädigen. Wie kann Führung gelingen, ohne eine Kulturkrise auszulösen? Dieser Frage widmete sich unsere Veranstaltung „Impulsvortrag & Austausch: Führen in Krisenzeiten“. Der Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und stellt das Modell der moderierenden Führung vor.

In Krisenzeiten stehen Führungskräfte unter besonderem Druck. Auf der einen Seite braucht es schnelle Entscheidungen, klare Orientierung und Sicherheit. Auf der anderen Seite droht genau dieser Führungsstil, die Unternehmenskultur zu beschädigen – mit langfristigen Folgen. Eigenverantwortung schwindet, Kommunikation nimmt ab und Frustration steigt. So entsteht eine Dynamik, die die Unternehmenskultur unter Druck setzt. Wie können Führungskräfte also so führen, dass sie eine Kulturkrise vermeiden?

In unserer Veranstaltung „Impulsvortrag & Austausch: Führen in Krisenzeiten“ haben wir uns mit genau dieser Frage beschäftigt. Der Artikel fasst die zentralen Erkenntnisse zusammen und stellt das Modell der moderierenden Führung vor.

Was ist überhaupt eine Unternehmenskrise?

Der Begriff „Krise“ wird oft inflationär verwendet. Dabei ist es wichtig zu verstehen, worüber wir eigentlich sprechen. Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert eine Unternehmenskrise als „ungeplante und ungewollte, zeitlich begrenzte Prozesse, die in der Lage sind, den Fortbestand der Unternehmung substanziell zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen“.

Krisen können also existenzbedrohend sein – und sie können viele Gesichter haben. Typische Formen sind:
finanzkrise

Finanzkrise: z.B. Liquiditätsengpässe oder hohe Verschuldung

marktkrise

Marktkrise: neue Wettbewerber, technologische Umbrüche oder Nachfrage­rückgänge

strategiekrise

Strategiekrise: wenn Innovation fehlt oder sich das Geschäftsmodell überholt hat

reputationskrise

Reputationskrise: durch Skandale, Fehlverhalten oder negative öffentliche Wahrnehmung

technologiekrise

Technologiekrise: veraltete Systeme, technologische Abhängigkeit

Was fehlt hier? Die Kulturkrise wird oft übersehen – obwohl sie für Organisationen besonders gefährlich werden kann. Denn ohne eine gesunde, tragfähige Kultur fehlt die Basis, um andere Krisen gemeinsam zu meistern.

Der gefährliche Strudel: Wie Führung in der Krise oft unbeabsichtigt Kultur zerstört

Ein Beispiel: In einem Unternehmen herrscht ein starker Teamgeist. Mitarbeitende übernehmen Verantwortung, Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist selbstverständlich. Die Unternehmenskultur wird als positiv und stabil wahrgenommen.

Dann kommt die Krise. Rohstoffpreise steigen, Aufträge brechen ein, die Geschäftsführung schaltet in den Krisenmodus.

Was passiert? Die Führung will Orientierung geben, das Ruder übernehmen. Mitarbeitende wiederum suchen nach Sicherheit – und schauen verstärkt nach oben. Zunächst verständlich. Doch genau hier beginnt eine gefährliche Dynamik:

Die Teufelsspirale in 9 Schritten

    1. Krise trifft Organisation (z. B. Marktveränderung, Kostenexplosion) 
    2. Verunsicherung breitet sich aus 
    3. Führungskräfte übernehmen stärker die Steuerung – top-down 
    4. Teams passen sich an, ziehen sich zurück, Innovation sinkt 
    5. Weniger Eigenverantwortung lädt zu noch mehr Steuerung ein 
    6. Kommunikation wird spärlicher, Unzufriedenheit wächst 
    7. Missverständnisse führen zu Frust, Eskalation nimmt zu 
    8. Stimmung kippt – Widerstand ersetzt Beweglichkeit 
    9. Die Krise verschärft sich – die Dynamik beginnt ab Punkt 3 von vorn 

Das Muster ist bekannt, aber trotzdem tappen viele Organisationen hinein. Und oft wird zu spät erkannt, dass nicht die Krise selbst das größte Problem ist – sondern wie mit ihr umgegangen wird.

Was braucht eine Organisation wirklich in der Krise?

Die zentrale Frage ist: Wie bleibt eine Organisation in der Krise handlungsfähig – ohne ihre Kultur und Kreativität zu verlieren? Die Antwort liegt nicht in mehr Kontrolle, sondern in besserer Zusammenarbeit.

Dafür braucht es:

  • Mut, um auch unpopuläre, aber richtige Entscheidungen zu treffen 
  • Kreativität, um neue Lösungen zu finden 
  • Lösungsorientierung, um nicht in Problemdenken zu verharren 
  • Einsatzbereitschaft, die über reines „Dienst nach Vorschrift“ hinausgeht 
  • Unternehmerische Mitverantwortung, also den Willen, gemeinsam Verantwortung zu tragen

Diese Qualitäten lassen sich aber nicht einfach anordnen. Sie entstehen durch eine Kultur, die sie fördert – selbst und gerade in der Krise. Genau hier kommt moderierende Führung ins Spiel.

Moderierende Führung: Orientierung geben ohne Bevormundung

In der Praxis fragen sich viele Führungskräfte: Wie kann ich meinem Team Orientierung und Sicherheit geben, ohne zu sehr zu steuern? Und was mache ich, wenn ich selbst unsicher bin – etwa bei Themen, in denen ich fachlich nicht tief drinstecke?

Eine mögliche Antwort: Führen durch Prozessmoderation.

Was heißt moderierende Führung?

Moderierende Führung bedeutet, dass du nicht alle Antworten lieferst – sondern die richtigen Fragen stellst, Strukturen anbietest und dein Team durch Entscheidungs- und Lösungsprozesse begleitest. Du bist nicht der/die „Bestimmer*in“, sondern ein*e Gestalter*in des Rahmens, in dem dein Team gemeinsam gute Entscheidungen treffen kann. Gerade in komplexen oder dynamischen Lagen kann das ein enormer Vorteil sein.

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Die zentralen Elemente moderierender Führung

  1. Prozess- statt Inhaltsfokus: Du musst nicht alles wissen – aber du solltest den Prozess im Blick haben. 
  2. Fähigkeit zur Prozessgestaltung: Klarer Ablauf, strukturierte Meetings, Transparenz. 
  3. Rollenbewusstsein: Was ist deine Verantwortung – und was nicht? 
  4. Verständnis für Dynamiken: Wer reagiert wie auf Druck? Was passiert in Gruppen unter Stress? 
  5. Moderationstechniken: Visualisierung, aktives Zuhören, Gruppen aktivieren 
  6. Storyline und Transparenz: Kommuniziere, was du tust – und warum. Auch „Behind the scenes“. 
  7. Ressourcenorientierung: Blick auf das, was funktioniert – statt nur auf das, was fehlt. 
  8. Psychologische Sicherheit: Schaffe Räume, in denen Fragen, Kritik und Fehler erlaubt sind.

Diese Haltung braucht Übung – und Mut. Aber sie kann verhindern, dass eine Krise zum Kulturbruch führt. Im Gegenteil: Diese Elemente können die Zusammenarbeit sogar stärken und mehr Vertrauen im Team bewirken.

Fazit: Krisenfest durch Kultur

Krisen sind Prüfsteine für Organisationen. Sie zeigen, wie stabil die Kultur wirklich ist – und wie gut Führung gelingt.

Die Lösung liegt nicht in noch mehr Steuerung, sondern in einem Führungsstil, der Vertrauen, Verantwortung und Kreativität stärkt. Moderierende Führung ist kein Patentrezept – die Ausgangslage ist von Organisation zu Organisation unterschiedlich. Aber sie ist ein wirksamer Ansatz, um in schwierigen Zeiten Orientierung zu geben, ohne Kultur und Zusammenarbeit zu opfern. Es kann sich lohnen, die eigene Führungsrolle neu zu denken: weniger Entscheiderin, mehr Moderator*in. Nicht als Rückzug – sondern als strategische Maßnahme hin zu mehr Mitverantwortung und Innovationskraft.
Philip Klasen-Schwidetzki
Gründer & Geschäftsführer
Philip Klasen-Schwidetzki hat fast 15 Jahre Erfahrung als Trainer, Berater und Coach in der Personal- und Organisationsentwicklung. Sein Fokus liegt vor allem in der Kulturentwicklung und Führung. Als Geschäftsführer von troodi setzt er sich dafür ein, Organisationen gezielt und nachhaltig zu unterstützen und das volle Potenzial ihrer Mitarbeitenden zu entfalten. Philips akademischer Hintergrund liegt in den Sozialwissenschaften und seine berufliche Laufbahn hat er im Projektmanagement der Entwicklungszusammenarbeit, der Konfliktforschung und der Katastrophenhilfe begonnen.

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